Ende Gut, alles Gut

Ende Gut, alles Gut

Juhu. Ich erhalte eine Email. Ich freue mich. Emails – zumindest von privaten Absendern- sind der König unter der geschriebenen Kommunikation. Natürlich nach den beinahe ausgestorbenen Papierbriefen…

Ehrlich. Was ist schon WhatsApp. Eine Ansammlung an falsch geschriebenen Wörtern oder gar nur Abkürzungen, gespickt mit kleinen bunten Bildchen und schrägen gelben runden Köpfen, die uns die Emotion abnehmen. Oder zum Ausdruck bringen.
Ernsthaft. Ich habe einen Bekannten, der besitzt kein Handy. What? Dachte ich zuerst. Und dann, wenn eine Email von ihm kam, dann war sie so … nackt. Ja genau.
Nicht mal Punkt- und Komma – Smileys kennt dieser Mensch.
Also ziemlich schwer, heraus zu finden, ob der das jetzt ernst meint, oder war es Ironie? Oder vielleicht doch… ach zum Teufel.

Eine schöne Email zu erhalten ist also nicht ganz einfach. Aber einen Menschen gibt es da, der hat Ahnung. Voller Vorfreude öffne ich also die Mail.

Thema Fußball.

Ja Fuppes- da scheiden sich die Geister und es polarisiert ziemlich. Ich zum Beispiel liebe Fußball. Ehrlich. Alle vier Jahre finde ich es toll. Weil wir als Deutsche endlich mal ohne Scham und völlig Vaterlandsverliebt unsere Nationalhymne röhren können.

Dass wir da nicht viel Übung haben, sehen wir ziemlich schnell, kaum einer kann den ganzen Text samt Melodie fehlerfrei von Anfang bis Ende…

Aber wurscht. Fußball erlaubt es uns patriotisch zu sein. Volles Rohr.

Deswegen mag ich Fußball. Alle vier Jahre zur WM.

Und mag ich Fußball außerhalb dieser Zeit? Nö- Ja ich weiß, das zu sagen ist kriminell. Und das in Bayern zu sagen gleicht einem Landesverrat. Steh ich zu.

Aber – was ist Fußball wenn wir währenddessen noch die Wiesn haben und zentraler Umschlagsplatz für heimatlos gewordene Menschen sind?!

Chaos. Und man addiere zu dem ganzen Mist noch unfähige Autofahrer (ja, in Deutschland ist es schwer richtig gute, zackige, selbstlose Autofahrer zu finden) und den MVV.

Der MVV. Ich persönlich fahre lieber bei minus 30 Grad mit dem Rad, als einen dieser stinkigen Züge von innen zu betrachten.

Ganz ehrlich Freunde. Wenn ich in ein Restaurant gehe und für einen Zwänner ne Mittelmäßige Pizza und ne lacke Cola erhalte, dann würde ich doch aufstehen und ihnen den Vogel zeigen. Wenn die TK Pizza dann auch noch ohne Angabe von Gründen pauschal mal 20 Minuten zu spät, oder besser, einfach gar nicht geliefert wird… dann… ja, dann ist das echt zu vergleichen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in unserer schönen Landeshauptstadt.

Wie gut…

Mein Freund schreibt also- und ich öffne noch einmal schnell die Email, um ganz sicher zu gehen, dass er vom Stadion aus bis nach Hause (lassen wir mal das Drama, dass manche Menschen offensichtlich zu blöd sind um ihre Karre aus dem Stadionsparkhaus zu bugsieren und deswegen einen stundenlangen Stau verursachen, außer acht)- also er schreibt, dass er zwei geschlagene Stunden nach Hause gebraucht hat. Von einem Ende von München ans andere. Nicht mal. Äh what?!

Ohne Witz, in der Zeit laufe ich doch. Und zwar nicht nur vom Stadion, ich lasse beinahe die Weißwurscht Grenze hinter mir… Und zu dieser kommen wir später noch einmal.

Ich lese die Email nochmal und schließe sie. Aus dem Radio trötet DJ Ötzi mit „Hey Baby“ und ich werde fast ein wenig sentimental. Direkt nachdem ich kurz froh war, dass sie mich noch drei weitere Minuten mit Helene verschonen. Mit diesem Lied bin ich beinahe aufgewachsen. Ich kann mich noch erinnern, dass ich mit zarten sechzehn Lenzen zu diesem Song auf der Bierbank gehopst bin und völlig verantwortungslos auf fremden Bierkrügen gesoffen habe. Scham di…

Und so bin ich wieder bei der Wiesn. Neben Fußball erlaubt sie es uns also jedes Jahr Heimatliebe zu bekunden. Und zwar Lokale. Dann bin ich stolz eine Münchnerin zu sein. Hier aufgewachsen zu sein und ja – auch den Dialekt zu sprechen, wenn ich das will. Und das, obwohl man es mir nicht ansieht. Ein Kumpel hat mal gesagt, ich bin eine bunte Bayerin. Eine Mubayerin- Mulattin und Bayer. Super.

Mein Blick schweift rüber zur Couch auf der meine Auswahl an Trachten bereit liegt. Damals, also vor mehr als einer Dekade, war ich eine der wenigen Teenies, die in Tracht auf die Wiesn gerannt ist. Die überhaupt auf die Wiesn gegangen ist. Denn dieses übergoße Volksfest, von dem eh nur 2% der Weltbevölkerung wissen, warum es überhaupt stattfindet, war ja lange Zeit uncool und nur für Omis.

Und wir fanden’s mega. Weil man dann neben anders dann extrem anders geworden war. Und ich für meinen Teil liebe es anders zu sein. Normal anders…

Ich habe also früh gelernt, stolz auf meine Kultur zu sein. Auch wenn meine Mutter immer fand, dass ein Dirndl und ein Almfest nicht zu einem Schokofarbigen Mädchen mit Rastazöpfen passen. Ich zog das durch. Schon immer gab es für mich nichts heimeligeres als zümpftige Musi und knackige Männerwadeln in Lederhosn.

Und – niemand ist so großzügig im Teilen der Kultur wie die Bayern.

So sehe ich das, wenn ich an das Multikulti auf der Wiesn denke- der Australier, der sich a Krachlederne kauft. Der Inder, der zur Volksmusik mit schunkelt und die kleine Japanerin, die sich wacker eine Maß nach der anderen rein kippt, weil die „Einheimischen“ das ja auch so betreiben. Zur Wiesn will jeder einmal Bayer sein. Und es wird kräftig nachgeahmt. Und toleriert. Ob es den Möchtegernbayern jetzt gelingt oder nicht.

„Oans, zwoa drei….“

Vor zwei Jahren zum Beispiel war ich in Thailand, ein kleiner Strandverkäufer kam in seinem Bayerntrikot daher und wollte Eis verkaufen. „No sänks“ war meine Antwort.

„Oh- Germany?“ sofort strahlten seine Augen
„Jep“
„Woher kommst du?“
Ich bin platt… Er spricht deutsch
„Munich“

„Ahhhh“ beinah überschlug sich seine Stimme und was dann geschah… Der kleine Thai-Mann fängt an auf Bayrisch zu reden „Ja servus….“ Und so weiter. Also. Nicht nur ein Münchner ist stolz darauf Münchner zu sein. Sogar der Eisverkäufer auf Koh Samui. Und er hat alles aus dem Fernsehen und/oder von Bayrischen Touristen gelernt. Er hat diesen Teil der Erde also noch nie betreten, fühlte sich aber trotzdem als ein halber Bayer.

Wenn es also nicht gerade um den Saftverein des MVV geht, dann kann man echt stolz sein, aus München zu kommen. Denke ich mir. Man muss nicht auf die WM warten, um überstolze Heimatgefühle zu entwickeln. Man hat jedes Jahr die Wiesn. Und dazwischen noch die Spiele des FCB. Mia san mia…

Hier hat der kleine Mann mit dem komischen Bart und dem Seitenscheitel keinen faden Beigeschmack hinterlassen. Zumindest nicht, wenn man ganz ungehemmt seiner Vaterlandsliebe frönen möchte. In München darf man das. Warum? Weil Münchner eh viel toller als alle anderen sind. Und das gilt auch für die kleineren Grenzen innerhalb des Deutschen Landes. Sogar innerhalb von Bayern. Denn a Bayer ist nicht gleich a Bayer.

Dafür sorgt der altbekannte Weißwurstäquator: er teilt im Bundesland Bayern das Weißwurst- vom Bratwurstland. Im Wesentlichen also, Altbayern von Franken. Der Verlauf der Donau steckt es ab. Wieder was gelernt.

Ich greife nach meinem Handy. Tippe das grüne Symbol mit der Sprechblase an, wähle einen Kontakt und schreibe. „Wiesn?“ Öffne das Emoji Sortiment und wähle einen Ziegenbock, dann wieder ein Fragezeichen, eine tanzende Frau, einen Maßkrug, zwei Maßkrüge, Punkt, Punkt, Punkt und eine Spirale. Auf geht’s…

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 Veröffentlicht von…
joya
Klaus Palermo bei Google+ | veröffentlicht am 22. Oktober 2015
joya

Über joya

...unser jüngster Zuwachs ist endlich wieder in München. Zeit wurde es! Nach einem längeren Ausflug in die Allgäuer Gefilden, ist unser Paradiesvogel mit der feinsinnigen Schreibfeder endlich bei MMA gelandet. In ihrer Stadtkolumne wird sie sicher vielen aus der Seele schreiben. Wir freuen uns extremst darüber.

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