EWIGE FREUNDSCHAFTEN – Oder wie man in der Landeshauptstadt FREUNDE findet

EWIGE FREUNDSCHAFTEN – Oder wie man in der Landeshauptstadt FREUNDE findet

Ich drücke den Homebutton meines super-duper-alles-könnenden Smartphones….Und- es verhöhnt mich. Fast wage ich zu behaupten, ein leises kichern zu hören und wenn es könnte, dann würde es -5 Nachrichten anzeigen. Es ist Freitag verdammt noch mal.

Was soll ich denn jetzt mit dem angerissenen Tag treiben?! In anderen Städten müsste ich wenigstens bis abends im Büro hocken und könnte dann ruhigen Gewissens in die Kiste oder die Couch fallen. Gott, wie mir die G’miatlichkeit manchmal auf den Geist geht. Danke Bayern, wegen dir ist mir langweilig und oben drauf wird mir wieder klar – alte, du hast keine Freunde in dieser Stadt…
Okay, mein Hang zum Übertreiben. Ich habe Freunde. Es ist nur so- nicht nur ich habe mal diese Stadt verlassen. Auch meine ganzen Schulfreunde haben das Weite gesucht… Oder geheiratet, was fast dasselbe ist. Und vor allem Berlin, diese große hässliche, wunderbare Stadt, sie hat die meisten meiner Bekannten verschluckt und weigert sich, sie wieder raus zu geben.

Ich greife nach meinem mobilen Endgerät und scrolle durch meine Kontakte…

Trinkt nicht, ist schwanger, verzogen, streit, hat mir vor zehn Jahren meinen Freund ausgespannt, steht auf Schlager Musik zum Ausgehen… Wie mies…

Da fragt man sich doch, wo man hier in München gepflegte Freunde findet. Mit einem Schlag an ähnlicher Stelle wie ich, es muss ja schließlich passen.

Ich habe auch einiges versucht. Fakt ist,  dieser ewige Drang der Menschen zu einer Beziehung vermiest die ganze Geschichte enorm.

Wäre ich auf der Suche nach einem Partner, ich hätte instant fünfzig Portale zur Auswahl. Und mal unter uns und ganz leise, ein paar davon habe ich ausprobiert. Entweder gerätst du da an Sexwütige Spinner… Oder eben einfach nur Spinner. Aber schon klar, normale anständige Menschen haben es ja nicht nötig, sich bei Tinder oder Shop a Man anzumelden. Sie haben Freundeskreise und da wären wir wieder beim Thema.

Ich schnaube und zünde mir eine Zigarette an. Ja, Schande über mich. Sogar mein Hund sieht mich vorwurfsvoll an. Tut er aber meistens. Ich ignoriere meine Designerratte und überwinde mich. Wähle wahllos einen Kontakt. Gleich tutet es. Im letzten Moment fällt mir ein- hey, ich habe ja etwas vor. YEAH!

Nur eine Stunde später sitze ich meinem langen, aber semi guten oder sagen wir weniger-engen Freund gegenüber. Das dritte Helle hat meine Zunge gelöst.

„Es ist doch kacke“,  jammere ich „ München ist so…. Ich weiß auch nicht, wo findet man hier Freunde?!“

Mein Gegenüber grinst mich an. Kurz frage ich mich, war es sein fünftes Bier, oder macht er sich über mich lustig?! Egal.

Ich muss dran denken, wie ich ihn kennen gelernt habe, wieder beim Thema angekommen, über eine Freundin. Komisch, mit dieser Freundin habe ich heute keinen Kontakt mehr. Obwohl wir ziemlich gut befreundet waren. Sind Männer etwa konstanter, ausdauernder, was Freundschaften betrifft?! Und die Bayerischen Männer noch mehr als andere?! Denn wenn ich eines gelernt habe, hast du in München Freunde, dann hast du sie! Nur der Weg dahin…

Das ist ja mein Problem, in München Freunde zu finden ist hart.

Mein Kumpel setzt an und tadaaa, er hat die Lösung, wie immer. Vielleicht sollte ich das auch mal so angehen. Das Problem ignorieren, einfach die Lösung sehen.

Jetzt weiß ich wieder, was ich an Männerfreundschaften schätze, sie sind so einfach. So unkonventionell. Und wenn es dann auch noch eine bayerische-Männerfreundschaft ist, überlebt sie dich sogar um Jahre.


…. „Ich gehe auf einen Boaznbash“ strahle ich eine Freundin an.

Sie sieht mich an wie ein Auto- Okay, gut, ich sollte mich erklären. Kann ja nicht jeder so hip mit noch hipperen Freunden wie ich sein…

Wir überqueren den Odeonsplatz und watscheln auf das Posercafé schlechthin zu.

Ich würde mir hier vorkommen wie ein Ausstellungsstück. Alle sitzen mit ihren Stühlen dem Platz zugewendet und glotzen uns hinter ihren Ray-Bans blöd an. Ich frage mich, wer sieht hier wen?! Bin ich das Beschauungsobjekt, oder diese Münchner-Möchtegern-Schickeria hinter ihrem überteuerten Spritz….

„Naja, ich treffe mich mittags mit einer Horde Menschen, betrinke mich und knüpfe Kontakte“. Ich muss ihr die Ernsthaftigkeit meines Vorhabens dringend erklären. Es geht hier um Leben und Tod, oder eben Einsam leben oder nicht…

„Es ist perfekt, das sind alles Freunde von zwei sehr lieben Personen, deren Menschenkenntnis traue ich zu einer Million Prozent!“ ich runzle vielsagend die Stirn und sehe sie forschend an.

„Aha“, sie sieht auf ihre manikürten Finger. Ich grinse in mich hinein, dass sie meine Euphorie nicht versteht ist klar. Sie gehört zu den Klischee-Münchnern. Die, denen die Stadt den Ruf der Spießigkeit und der Oberflächlichkeit verdankt.

Eigentlich sollte ich sie gleich hier am Odeonsplatz abladen. Aber ich liebe sie. Jeder Mensch braucht Freunde, die ihn wiederspiegeln, in einer Stadt wie München brauchst du aber auch ein Pendant. Nur so. Um die ganzen anderen Münchner weiterhin zu verstehen.

„Und in was für Kneipen zieht ihr dann so?!“ – Oh ja, sie mag aussehen wie alle anderen Mädchen in dieser Stadt, ganz einfach, weil sie sich optisch nicht von 99 % der weiblichen Stadtbevölkerung der Landeshauptstadt abhebt. Aber- sie versucht auch mich zu verstehen. Ich bin sozusagen ihr Pendant in die… Sagen wir mal etwas unkonventionelleren Seite der Macht… Äh Stadt…

„Na, das sagt der Name schon. Boazn, kleine Kneipen“

Sie rümpft ihre fein gepuderte Nase. Komisch, sie ist hier in dieser Stadt geboren, aufgewachsen und alles. Aber was hinter dem Ausdruck „Boazn“, steht muss ich ihr erst erklären?! Dass eine Boazn etwas ganz feines, familiäres und vor allem in der richtigen Gesellschaft etwas super Lustiges ist, kommt ihr nicht.

Ich sehe an ihrem Gesichtsausdruck, dass sie damit nur folgendes verbindet: Harzer, Alkis, dunkel, eklig und unter ihrem Niveau.

Mittlerweile sind wir in dem Lustgärtchen angekommen. Eine für ihr Kleid zu dicke Braut posiert fröhlich für den Fotografen und innerlich hebe ich den Daumen. Perfekt, die macht was sie will. Und wenn sie sich dieses Kleid eingebildet hat, dann sollte es auch dieses sein. Auch weit jenseits der 36.

Meine Gedanken schweifen. Das Problem vieler Münchner und der Deutschen im Allgemeinen ist doch, sie sind zu oberflächlich und meinen immer, sie wären das non plus Ultra. Fail.

Wissen wir denn was für ein Spaß uns entgeht, wenn wir es nicht einmal ausprobiert haben?! Wissen wir vorab, dass die täglich alkoholisierte Oma in der Boazn nebenan vielleicht einmal eine feine Dame war, die die Welt bereiste, bis der Schicksalsschlag kam und ihr  ihren Wohlstand raubte?!

Nein, wissen wir nicht. Wenn wir also die Augen öffnen, einmal etwas für unseren zu begrenzten Horizont tun und zum Beispiel die kleine Kneipe ums Eck aufsuchen, dann bekommen wir die Chance zu sehen, was hinter den Menschen steckt.

Zum Teufel mit den ganzen Schickimicki‘s, die dort in Reih und Glied unter ihrem wärmenden Deckchen sitzen und ihre Weinschorle schlürfen. Sie denken sie haben alles gesehen, nur weil sie vierzehn Tage auf den Malediven in der Sonne lagen.

Echte Horizonterweiterung fängt doch hier an. Bei mir, bei den Menschen, die ich sonst nie wahrnehme, die aber Geschichten zu erzählen haben.

Ich krame in der Hosentasche und werfe dem Straßenmusiker an der Unterführung zum Englischen Garten ein zwei Euro Stück in den Gitarrenkoffer. Gute Tat vollbracht. Underground Künstler gefördert. Check.

„Du kannst sagen was du willst“, wende ich mich meiner Freundin zu und unterbreche sie bei ihrem hektischen Getippe in Whatsapp.

„Ich gehe auf den Boaznbash- und wenn ein Höllenrausch das einzige ist, was ich davon trage. Sei’s drum. Ich bin vielleicht zu alt für den Fehler des Betrinkens, aber jung genug um ihn immer wieder zu begehen.“

„Amen“ grinst sie und hakt sich bei mir unter.

Nur paar Tage später habe ich zehn neue Freunde auf Facebook, drei neue Telefonnummern in meinem Smartphone gespeichert und ein Wanderdate für das kommende Wochenende.

Und ich weiß genau. Die einen Freunde kommen, die anderen gehen, manche bleiben. Und das Beste an der Geschichte ist- neue Leute lernst du in einer Stadt wie München am besten über alte Leute kennen. Wirklich. Denn Leute, die schon Freunde sind harmonieren ja in gewisser Weise mit dir. Somit muss die Chemie zu den *neuen* Leuten ja (nicht immer aber meistens) stimmen.

Und wenn du ganz neu nach München kommst, dann vielleicht in der Arbeit oder, ha, du quatscht deinen Tischnachbarn in der aktuellen In-Kneipe an. Dann könnt ihr zusammen eure Louis ausführen und über das Outfit der Passanten lästern…

Vielleicht interessiert Dich auch das

 Veröffentlicht von…
joya
Klaus Palermo bei Google+ | veröffentlicht am 3. September 2015
joya

Über joya

...unser jüngster Zuwachs ist endlich wieder in München. Zeit wurde es! Nach einem längeren Ausflug in die Allgäuer Gefilden, ist unser Paradiesvogel mit der feinsinnigen Schreibfeder endlich bei MMA gelandet. In ihrer Stadtkolumne wird sie sicher vielen aus der Seele schreiben. Wir freuen uns extremst darüber.

2 Meinungen zu “EWIGE FREUNDSCHAFTEN – Oder wie man in der Landeshauptstadt FREUNDE findet

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert