Weg fahren und Heimkommen

Weg fahren und Heimkommen

Fieses Wetter. Ich frage mich, wann und wo wir hier in Bayern unseren zuverlässigen Winter verloren haben… Ich meine- früher, wenn ich in den Wintermonaten mit meiner Verwandschaft in NRW kommuniziert habe, lief es folgendermaßen:

Na- wie isset 

Alles gut

echt? wat macht et Wetter?

Perfekt, wir waren auf der Piste. N halben Meter Neuschnee hats heute Nacht geschneit

Boa- nä ne, hier Regnet’s in einer Tour, da wirste bescheuert

 

jetzt ist es so

Naaaa- wie isset disch

passt scho

Wetter?

Beschissen

wart ihr schon Skifahren?

Na- worauf, auf Inlinern? Ich fahr an Lago, da hats 20 Grad

Ganz schwache Nummer vom Universum. Diese Posertelefonate mit der Verwandtschaft fallen also aus. Nix mehr mit dem Schön-Winter-Ego-Gepushe! HAHA- hier in Bayern da gibt‘s romantisch verschneite Natur.

Fett bezuckerte Giebel. Schneemänner in Hülle und Fülle. Und des ois – bei Kaiserwetter.

Was-wenn-Winter-wäre-Gedanken wälze ich schon lange nicht mehr. Klima-Katastrophen hin oder her. Neue Eiszeit? Sicher. Neue Erderwärmung? Klar.

Je nach Wettergott-Stimmung werden andere Endzeitdramen gestaltet.

Fakt ist, man kann sich einfach nicht mehr auf die Jahreszeiten verlassen. Sommer am See. Herbst in den Bergen. Winter auf der Piste. Frühling auf der Piste. Nix da.

Gemeinheit.

Es ist so- ich bin ein positiv denkender Mensch. Grundsätzlich. Naja, meistens. O.K., in der Regel. Auf jeden Fall versuche ich das Beste aus Situationen herauszuholen, die von Grund auf beschissen sind.

Weil? Täte ich das nicht, dann würde ich depressiv. Schlimmer geht ja in diesem Fall nicht mehr. Aber besser – ja das könnte klappen.

Was zum Henker tut man in München. An einem beschissenen verregneten Sonntag. Ins Museum? Ja. Im Bett bleiben? Auf jeden Fall. Kollektives zusammenhocken mit Freunden und oder dem Partner? Klaaar.

Wäre alles gut, wären zwischenzeitlich mal Gutwetter-Perioden, an denen man Münchens wunderschönes Umland genießen könnte.

Ich finde nach dem fünften Sit-In bei Freunden in Folge sieht es so aus: Was habt ihr so gemacht seit… letztem Sonntag? Nix. Ach echt? Ich auch nicht.

Also her mit den Indoor Aktivitäten in der Landeshauptstadt. Schnell wird klar: Ich habe schon einen Indoor Job. Was zum Teufel will ich mit Wochenend-Indooraktivitäten.

Ich muss mich bewegen. Hölle nochmal.

Oder – und sofort ringelts bei mir – ich verlasse die Stadt.

Ich liebe es die Stadt zu verlassen. Es gibt da so ein schönes Lied mit dem Text „Only hate the road when you’re missing home“. Also, wenn ich von Zuhause weg bin, dann stört mich das schlechte Wetter Zuhause vielleicht nicht mehr. Im Gegenteil, vielleicht freue ich mich dann auf all die Dinge, die mich derzeit an- (entschuldigt die Wortwahl) kotzen.

Während ich meinen leicht in die Jahre gekommenen Laptop starte und ihm stundenlang beim Arbeiten zusehe, drehen sich meine Gedanken…

Es ist ja so, dass München eher einer großen Kleinstadt, als einer kleinen Großstadt ähnelt.
Aus diesem Grund ist es beinahe eine Pflicht hin und wieder den Koffer zu packen. Ich betone Koffer! Und nicht Rucksack. Ich gehöre nicht zu den Hobbyhippies die zum Zwecke der Reise und Coolness ihre Hosen gegen Haremswindeln tauschen. Sich mit Fußkettchen behängen und Perlen in die Haare knoten. Ich bin unter echten 68ern aufgewachsen, daher weiß ich was einen  „Aussteiger“ ausmacht. Und die barfüßigen Traveller, die sich instant mit dem Wifi und der Welt „connecten“, noch bevor sie sich das Getränk im Lokal bestellt haben, das ist nicht echt. Also bleibe ich lieber der Touri, der mit seinem Trolley durch vertaubte Straßen stapft. Wenigstens werde ich nicht ungläubig angeschaut. Wie kann so ein ungepflegter Mensch aus Europa kommen?
Die Frage ist ja auch: man ist, wer man ist. Ist es sinnvoll sich für den Urlaub eine andere „Haut“ überzuziehen, nur um dem Trend zu folgen?
Ich meine ja, dass man den Urlaub zum Zwecke der Erholung angeht. Kann man als jemand Anderes überhaupt das volle Erholungs-Pensum erreichen?!
Ich glaube nicht. Aber lassen wir dies.
Ich stelle die Frage beiseite… Kann ja jeder selber eruieren. Räusper.

Und gerade als mich das Dörfliche Flair und dieser permanente Schnee-Regen-Wetter-Wechsel in München also einengt, hat sich mein Rechner gefangen und ist bereit für sämtliche Schandtaten. Ich gehe auf Skyscanner und tippe: MUC nach BKK. Reisedauer- 3 Wochen. Günstiger Flug in die Thailändische Hauptstadt – Check.
Visum – ganz easy und kostenfrei am Immigration-Counter. Toll.
Bangkok. München ist so überschaubar dass immer klar ist, was wo ist. Und Thailand ist toll, so als Frau und so – lässt sich so schön einfach bereisen. Das Essen schmeckt. Die Menschen sind freundlich. Optimal. Nicht gerade einfallsreich, wenn man bedenkt wie viele Länder der Globus beherbergt, aber wir wollen ja nicht übertreiben.
Ich stehe also in Thailand angekommen, geschlagene zwanzig Minuten an einer gefühlten Fünfzehn-Spuren-Straße und tripple nervös einen Schritt vor und zurück. Wie kann es sein, dass ich hier einfach nicht rüber komme. In München auf der Leopold schaffe ich es doch auch. Ohne Ampel möchte ich betonen. Also. Von Spur zu Spur. Durchatmen. Schaffe ich hier auch. Schließlich renne ich in panischer Angst zwischen hupenden Autos und Klingelnden Tuktuks durch. Schreiend. Geschafft. Ich bin sowas von bereit für die Großstadt denke ich mir hysterisch kichernd auf der anderen Seite. War ja nix. Ein Klacks. Ich bin so cool. Ich sollte in eine echte Metropole ziehen. Mit richtig vielen Menschen, wo ich in der U Bahn nicht ständig das Gefühl von Déjavue habe, weil mir ein Gesicht bekannt vorkommt.
Fakt ist, wenn ich in München sage Zentrum dann ist klar, wo man sich trifft. Marienplatz. Fischbrunnen. Beinahe jede meiner Beziehungen ist dort gestartet. Wenn ich in München zu Stoßzeiten über den Ring muss, dann nervt es zwar Stoßstange an Stoßstange den popelnden Nebenfahrern beim Anfahren und bremsen zuzusehen. Aber man hat das Ding in maximal eineinhalb Stunden gerockt. In einer echten großen Stadt? Gibt es selten nur EINEN Ring. Und man braucht ein halbes Leben, sollte man es wagen zur Berufszeit fünf Kilometer von A nach B zu fahren.
Zentrum in Berlin? Ich wurde schon ausgelacht, als ich locker flockig zu einer Freundin meinte „Hey lass uns in ner Stunde im Zentrum treffen“. Haha. Und welches von den fünf meinst du? Und dann noch in ner Stunde? Niemals. Märkte in München. Also Nennenswerte – Großmarkthalle. Viktualienmarkt. Beides hat man innerhalb einer halben Stunde gescannt. In Bangkok zum Beispiel? Ich glaube ich muss hier zwei Monate verbringen, um jeden größeren Markt auch nur Ansatzweise gesehen zu haben. Ich schiebe mich durch die Reihen und Gänge. Gespickt mit guten und weniger guten bis hin zu ekligen Dingen. Sauge alles in mir auf. Mindshot, für die langweiligen Sonntage Zuhause. Nach zehn Minuten bin ich sowas von geflashed, dass ich nicht mehr weiß was der Stand einen Meter zuvor verkauft hat. Also packe ich meine Kamera wieder in die Tasche und schleiche geladen mit Eindrücken davon.

Anschließend wieder auf die Straße. Ja Mann! So riecht eine echte große Stadt. Nach Abgasen. Und Menschen. Und Essen. Es ist so schön warm. Okay. Ein bisschen sehr warm. Wäre schön, wenn ich etwas Sonne speichern könnte, so für schlechte Zeiten. Naja. Ich bin halb schwarz, mit dem bisschen Thaisonne werde ich ja wohl umgehen können. Ich wische mir über die Stirn und huste als ein Bus vorbei scheppert. Ich bin so der krasse Globetrotter. Ich hab es massiv drauf. Ich kaufe mir ein Fleischspieß vom Straßenstand und schlendere nachlässig lächelnd an den in Reih und Glied sitzenden Touris an einer Kneipe mit der Aufschrift „we also sell western food“ vorbei. Ihr Looser. Ich verlaufe mich auch nicht. Kann ja nicht so schwer sein. Deswegen habe ich die Karte auch im Hotel gelassen. Gefunden wird jede Destination beinahe sofort. Naja fast. Hatte mich wohl im Viertel vertan. Aber ich finde schon wieder raus. Ganz leicht. Der Fehler hier ist klar, ich hatte Münchner Verhältnisse im Blut gehabt. Hier ist ein District etwas größer. Nicht wie der Gärtnerplatz. Schnell überschaut und überquert.

Egal. Du wolltest big City. Da haste se. Und jetzt schweig still. Ich frage wo ich bin und werde ausgelacht als ich zeige wo ich hin möchte. Zu Fuß? Haha. Stupid Tourist. Oh Mann. Wie kann eine Stadt mit so kleinen Menschen nur so riesig werden? Und wieder, ich hab bekommen was ich wollte. Eine Großstadt. Nach ein paar Tagen geht’s doch eh happy auf die Inseln. Also durchhalten. Und die immensen Dimensionen in mich aufsaugen. Das gute Wetter. Die Hitze. Zuhause ist es wieder kalt. Regen. Schnee. Schnee. Regen. Da wartet nicht viel, nur die Sit-Ins warten. Naja. Und mein Sparhund.

Am Ende komme ich wieder gut erholt nach Hause. In das beschauliche München. Wo alles dort ist, wo es hin gehört. Und dann weiß ich wieder wofür Reisen gut ist. Um zu schätzen was man hat. Das war doch meine Intension oder? Zu wissen: Zuhause ist es schee. Kein Durchfall nach einem Essen auf der Straße. Überschaubare Märkte. Sich schnell verabreden und auch finden. Angeben wenn man „nur“ ne Stunde im Stau stand statt zwei. Saubere Toiletten. Wasser kostet immer so viel wie es auch dran steht. Und vor Allem: damit posen wie geil der Urlaub war. Mal raus. Neue Menschen. Gutes Wetter. Und es war ja so krass und so geil. Nur gute Vibes. So viele neue Eindrücke. Zuhause ist es ja sowas von beschissen. Wenn ich könnte, also ich würde ja sofort auswandern. Ganz klare Sache. Und das zeige ich dann auch auf meinem Instagram Account. Ich bin so toll, ich verlasse Europa in regelmäßigen Abständen. Nicht wie ihr nur nach Malle ihr Spießer. Fleißig suche ich nach Hashtags. After-Urlaub ist ja beinah besser als vor oder während dem Urlaub. Weil Deutschland ist ja sowas von langweilig und kleinkariert. Und überhaupt.

Nachdem ich auf meinem Sit-In alle meine Fotos hergezeigt habe flitze ich zur U-Bahn. Doch bei all meinen guten Vorsätzen, von meinem Urlaub zu zehren. Im Schacht angekommen habe ich meine guten Vibes und alles wieder vergessen. Ich bin in meinem alten Fahrwasser drin. Ich werde mich aufregen weil die U-Bahn fünf Minuten zu spät kommt. Ich mache ein extra genervtes Gesicht damit jeder weiß, dass ich ungehalten bin. Und als ich dann im Wagon sitze, freue ich mich heimlich auf die Couch und den Fernsehabend bei schlechtem Wetter. Alles was von meiner Flucht in die Ferne zeugt- ist die verblassende Bräune.

Hello and Goodbye. Bis zur nächsten Flucht in die Sonne…

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 Veröffentlicht von…
joya
Klaus Palermo bei Google+ | veröffentlicht am 22. März 2016
joya

Über joya

...unser jüngster Zuwachs ist endlich wieder in München. Zeit wurde es! Nach einem längeren Ausflug in die Allgäuer Gefilden, ist unser Paradiesvogel mit der feinsinnigen Schreibfeder endlich bei MMA gelandet. In ihrer Stadtkolumne wird sie sicher vielen aus der Seele schreiben. Wir freuen uns extremst darüber.

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