„Wenn wir Flüchtling sagen, meinen wir Mensch“

„Wenn wir Flüchtling sagen, meinen wir Mensch“

Mit dem Satz ‚Je suis Charlie“ bekundeten tausende Europäer ihre Solidarität mit den ermordeten Karikaturisten der Satirezeitschrift Charlie Hebdo. Viele versammelten sich gestern unter anderem in Paris, München und Berlin, um einem Schweigemarsch zum Gedenken an die siebzehn Opfer beizuwohnen.

Ein Anschlag, der die Menschen in ihren demokratischen Grundwerten erschüttert und zugleich verstört ob der momentanen Ereignisse zurücklässt. Vielerorts fühlt sich ausgerechnet die Pegida-Bewegung in ihrer Programmatik bestätigt und ruft, wie am Montag 12.1.14 in München zu Protestläufen (Mügida und Bagida) gegen die ‚Islamisierung des Abendlandes’ auf. Dabei werden Extremisten wie die französischen Amokläufer als Aushängeschild eines Glaubens dargestellt und dem Islam an sich pathologischer Radikalismus zugeschrieben. Ergo sind alle Menschen, die dieser Religion angehören eine Gefahr für Europa. Soweit zur Pegida-Theorie. Dabei wird aber vergessen, dass genau wie im Christentum oder dem Hinduismus, der Interpretationsspielraum ein unendlicher ist – radikalisiert wird jede Religion verzerrt und missbraucht.

Zurück zu Charlie Hebdo – die Zeichner wurden wegen ihren satirischen Darstellungen der aktuellen Geschehnisse ermordet und die Meinungsfreiheit im Innersten verletzt. Doch Satire ist kein Monopol des sogenannten Westens, denn auch in der arabischen Welt kursieren unglaublich witzige Persiflagen über Dschihadisten, Fanatismus und religiöse Gewalt. Dabei gehen deren Schöpfer ein ebenso großes wenn nicht sogar größeres Risiko ein als ihre Kollegen bei Hebdo.

Die Homogenisierung eines Feindbildes ist demnach nicht nur falsch, sondern schlichtweg gefährlich.

Und auch gegenüber den zu uns kommenden Flüchtlingen werden über solche Missverständnisse viele Vorurteile geschürt. Skepsis und Unbehagen vor einer diffusen und anonymen Masse keimen auf und Pegida erfährt einen Zulauf, den es nicht geben dürfte. Und genau an dieser Schnittstelle setzen fantastische Projekte an, die diesen Flüchtlingen ein Gesicht und eine Geschichte geben und sie mit den Bewohnern ihrer Ankunftsstadt zusammenbringen. Dazu gehört zum Beispiel die Porträtreihe ‚Paradise Lost’ von Pierre Jarawan. Der Slam Poet und Autor ist selbst als Kleinkind mit seinen Eltern aus dem Libanon geflohen und hat es sich zur Aufgabe gemacht den anonymen Wesen ein Gesicht zu geben. Wichtig ist ihm, dass ein Gesicht zu haben bedeutet eine Identität zu haben und damit mehr zu sein als ein bloßer Begriff. Pierre Jarawan ist mit ‚Paradise Lost’ eine wunderschöne Serie von Porträts gelungen, welche dem Photographen selbst immer wieder Staunen abringt, ob der Tatsache, dass diese schicksalsgebeutelten Menschen immer noch ein Lächeln hervorzaubern können. Er möchte kein Mitleid erwecken, sondern ihre Geschichten erzählen und sie uns damit näher bringen.

http://paradiselostpics.tumblr.com | https://www.facebook.com/p.jarawan

Weitere Bilder auch hier: Bildergalerie

Auch Bellevue di Monaco plus Unterstützer, über die wir ja auch schon berichtet haben, unternehmen einiges, um eine Annäherung und gegenseitiges Verständnis zwischen Münchnern und Flüchtlingen zu wecken. Dazu arbeiten sie einerseits in der Müllerstrasse 4-6 einen Ort der transkulturellen Begegnung mit einem Infocafé und einer Pension. Und andererseits rufen sie mit Kundgebungen und Demonstrationen immer wieder zu Protest gegen die Pegida-Bewegung auf. So auch kommenden Montag (12.1.15) um 17:30h am Sendlinger Tor unter dem Motto PLATZ DA – MÜNCHEN IST LAUT! Dabei sind die Well Brüder, Dreiviertelblut, Keno und SGT. Bellevue di Monacos Friendly Heart Choir Club mit Keno, Martin Kälberer, Hannes Ringlstetter, Peter Brugger (Sportfreunden Stiller), Peter & Sebastian Horn, Florian Rein (Bannana Fishbones), Benni Schäfer (Balloon Pilot), Karin Rabhansl, Marcus H. Rosenmüller und vielen mehr… Also ein rundes Ding!

bellevue-di-monaco-kundgebung

http://bellevuedimonaco.de/

Mehr dazu auch hier: Bellevue di Monaco

Wie diese beiden Akteure gibt es viele weitere engagierte Münchner die Begegnungen und Interaktion zwischen Münchnern und Flüchtlingen organisieren und damit den gefährlichen Vorurteilen und einer falschen Homogenisierung und Kriminalisierung von Menschen in Not entgegenwirken.

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 Veröffentlicht von…
Viola
Klaus Palermo bei Google+ | veröffentlicht am 11. Januar 2015
Viola

Über Viola

Viola aka Vyvy ist unsere zuckersüsse, am Sendlinger Tor aufgewachsene, Expertin für alle kulturellen und künstlerischen Belange. Als Ethnologin und Mitarbeiterin einer Kunstgalerie hat sie den entsprechenden Weitblick und ein besonderes Gespür für Kultur im feuilletonistischen wie auch interkulturellen Sinne.

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